In unserem hektischen Alltag gewöhnen wir uns oft so sehr an Anspannung und Hektik, dass wir sie irgendwann gar nicht mehr bewusst wahrnehmen. Es fühlt sich für uns normal an, ständig unter Strom zu stehen, und wir glauben sogar, dass wir entspannt sind. Doch häufig verwechseln wir Ablenkung oder flüchtige Befriedigungen mit echter Ruhe und Entspannung. Um diesen Prozess besser zu verstehen, können wir das Beispiel einer Disco heranziehen.
Teil 1 – Weisheitsaspekt: Wie unsere Wahrnehmung uns täuscht
Stell dir vor, du betrittst eine laute Disco. Am Anfang spürst du sofort, wie laut die Musik ist. Dein Körper reagiert: Vielleicht fühlst du dich überfordert, die Ohren tun leicht weh, und dein Kopf braucht Zeit, um die Reize zu verarbeiten. Doch nach einer Weile beginnt dein Körper, sich an die Lautstärke anzupassen. Du merkst die Geräuschkulisse weniger, unterhältst dich mit anderen und empfindest die Situation plötzlich als normal. Dein System hat sich so sehr an den Lärm gewöhnt, dass du ihn nicht mehr bewusst wahrnimmst. Vielleicht fühlst du dich sogar wohl.
Doch dann gehst du aus der Disco heraus. Plötzlich wird dir klar, wie laut es wirklich war. Deine Ohren pfeifen, und du merkst, dass du in der Disco laut gesprochen oder sogar geschrien hast. Der Lärm war nie weg, du hast ihn nur nicht mehr wahrgenommen.
Dieses Beispiel beschreibt genau die Adaptation unseres Systems. Unser Körper ist darauf ausgelegt, sich an Umstände anzupassen, um effizient mit der Umwelt umzugehen. Diese Fähigkeit zur Anpassung ist überlebenswichtig, kann aber auch problematisch werden, wenn sie dazu führt, dass unser „Normal“ sich so stark verschiebt, dass wir die Belastung nicht mehr bewusst wahrnehmen. Wenn unser System dauerhaft in einem solchen Zustand bleibt, sprechen wir von Adaptationsstörungen. Diese Störungen entstehen, wenn der Körper nicht mehr zwischen Belastung und Entspannung wechseln kann und sich die Anspannung dauerhaft als normal anfühlt.
Genau das passiert in unserem Alltag. Wir gewöhnen uns an innere Anspannung, Hektik und Stress, bis sie für uns selbstverständlich werden. Wir spüren die Überforderung nicht mehr und halten unseren Zustand für „normal“. Doch wie bei der Disco zeigt sich die wahre Belastung erst, wenn wir bewusst aus diesem Zustand heraustreten und unseren Körper entspannen. Erst dann merken wir, wie sehr unser System überfordert war.
Teil 2 – Methoden-Aspekt: Den Weg aus der „Disco“ finden
Um aus diesem Zustand herauszufinden, brauchen wir bewusste Entspannung und die Bereitschaft, unsere innere Hektik wahrzunehmen. Dieser Prozess kann anfangs ungewohnt oder sogar unangenehm sein, weil wir uns wieder mit unserer wahren inneren Verfassung auseinandersetzen. Doch mit Disziplin und Geduld können wir unsere Wahrnehmung neu schulen und echte Ruhe erfahren.
Schritt 1: Bewusstes Wahrnehmen
Setze dich an einen ruhigen Ort und schließe die Augen. Lenke deine Aufmerksamkeit nach innen und frage dich: „Wie fühlt sich mein Körper gerade an? Bin ich wirklich entspannt?“ Beobachte, ob irgendwo im Körper Anspannung zu spüren ist – vielleicht in den Schultern, im Kiefer oder im Bauch. Achte darauf, ohne zu bewerten.
Schritt 2: Atemübungen zur Beruhigung
Konzentriere dich auf deinen Atem. Atme tief durch die Nase ein und lasse den Atem langsam durch den Mund ausströmen. Mit jedem Ausatmen kannst du dir vorstellen, wie du ein Stück der Anspannung loslässt. Wiederhole diese Übung für einige Minuten, um den Geist zu beruhigen und den Körper zu entspannen.
Schritt 3: Analytische Reflexion – Bin ich in der „Disco“?
Frage dich: „Habe ich mich so sehr an meine innere Hektik gewöhnt, dass ich sie gar nicht mehr merke? Wie fühlt sich echte Ruhe für mich an?“ Beobachte, ob dein Geist ständig nach Ablenkung sucht, oder ob du wirklich in der Lage bist, Stille und Entspannung zu genießen. Reflektiere darüber, ob du in deinem Alltag vielleicht ähnlich wie in der Disco lebst, ohne es zu merken.
Schritt 4: Akzeptiere die Veränderung
Wenn du aus der „Disco des Alltags“ heraustrittst und anfängst, deine innere Hektik wahrzunehmen, kann das anfangs ungewohnt sein. Vielleicht fühlst du dich irritiert oder sogar unruhig, weil echte Stille und Entspannung etwas sind, woran du dich erst wieder gewöhnen musst. Nimm diesen Zustand mit Geduld an, und erinnere dich daran, dass dies ein wichtiger Schritt ist, um echte Ruhe zu finden.
Schritt 5: Schaffe Routinen für echte Entspannung
Plane kleine Momente der bewussten Ruhe in deinen Alltag ein. Es reicht, wenn du mit wenigen Minuten beginnst. Zum Beispiel kannst du morgens eine Atemübung machen, dir Zeit für einen kurzen Spaziergang ohne Ablenkung nehmen oder bewusst eine Pause ohne Handy und andere Störfaktoren einlegen. Diese regelmäßigen Rituale helfen dir, deine Wahrnehmung zu schulen und dich von der „Disco des Alltags“ zu lösen.
Schlussgedanken
Unser Alltag kann uns so sehr vereinnahmen, dass wir die Hektik und Anspannung nicht mehr wahrnehmen. Wie in der Disco gewöhnen wir uns an die „Lautstärke“ unseres Lebens und halten sie für normal. Doch wahre Ruhe und Entspannung finden wir erst, wenn wir bewusst aus diesem Zustand heraustreten. Dies kann anfangs ungewohnt oder unangenehm sein, doch mit der Zeit entdecken wir, wie wohltuend echte Stille sein kann. Mit Geduld, kleinen Routinen und achtsamer Selbstbeobachtung können wir unsere Wahrnehmung schulen und wieder lernen, wie es sich anfühlt, wirklich entspannt zu sein. So bringen wir unser System wieder ins Gleichgewicht und entkommen den Mustern einer Adaptationsstörung.