Liebe Eltern,
wenn euer Kind häufig angespannt ist, Schwierigkeiten beim Entspannen hat oder auf alltägliche Reize unangemessen reagiert, könnte es unter einer vegetativen Dysbalance leiden. Diese Dysbalance beschreibt eine Störung des vegetativen Nervensystems (VNS), das viele lebenswichtige Funktionen im Körper steuert, ohne dass wir bewusst darüber nachdenken. Das VNS reguliert die Herzfrequenz, Atmung, Blutdruck und Verdauung und sorgt dafür, dass wir uns flexibel an die Anforderungen unserer Umgebung anpassen können.
Teil 1 – Weisheitsaspekt: Was ist eine vegetative Adaptationsststörung?
Eine vegetative Adaptationsstörung tritt auf, wenn der Körper Schwierigkeiten hat, sich auf äußere Reize oder innere Zustände richtig einzustellen. Normalerweise wechselt das vegetative Nervensystem zwischen Erregung (wenn wir aktiv sein müssen) und Entspannung (wenn wir zur Ruhe kommen sollten). Bei einer solchen Störung bleibt der Körper jedoch oft in einem dauerhaften Erregungszustand, auch wenn eigentlich Zeit für Entspannung wäre. Dies führt zu einer Dysbalance des vegetativen Nervensystems, bei der das Zusammenspiel zwischen dem sympathischen Nervensystem (Gaspedal) und dem parasympathischen Nervensystem (Bremse) gestört ist.
Das sympathische Nervensystem ist wie ein Gaspedal. Es aktiviert den Körper, wenn er wachsam oder aktiv sein muss, beschleunigt den Herzschlag und bereitet den Körper auf eine “Kampf- oder Flucht-Reaktion” vor. Das parasympathische Nervensystem hingegen funktioniert wie eine Bremse. Es sorgt dafür, dass der Körper nach Phasen der Erregung wieder zur Ruhe kommt, verlangsamt den Herzschlag, fördert die Verdauung und hilft dem Körper, sich zu regenerieren.
Eine Dysbalance dieses Systems kann bei Kindern zu Symptomen wie Schlafstörungen, innerer Unruhe, Konzentrationsproblemen oder unangemessenen emotionalen Reaktionen auf kleine Stressfaktoren führen.
Um das Konzept besser zu veranschaulichen, verwende ich das Erdmännchen-Phänomen: Stellt euch vor, ein Erdmännchen steht wachsam vor seinem Bau, immer auf der Hut vor Gefahren. Sobald es sich sicher fühlt, entspannt es sich. Bei einer vegetativen Dysbalance bleibt das Kind jedoch ständig im “Erdmännchen-Modus” – der Körper bleibt angespannt, selbst wenn eigentlich Entspannung möglich wäre.
Teil 2 – Methoden-Aspekt: Praktische Übungen zur Unterstützung des vegetativen Nervensystems
Liebe Eltern,
hier findet ihr eine Sammlung von praktischen Übungen, die eurem Kind helfen können, eine vegetative Dysbalance zu überwinden und das Nervensystem wieder ins Gleichgewicht zu bringen. Diese Übungen lassen sich leicht in den Alltag integrieren und fördern die Entspannung und Selbstwahrnehmung eures Kindes. Zu Beginn reichen 2-3 Minuten pro Übung völlig aus, und ihr könnt die Zeit nach und nach steigern. Denkt daran: Nicht jede Übung passt zu jedem Kind. Probiert verschiedene Ansätze aus und schaut, welcher Zugang eurem Kind am leichtesten fällt.
1. Atemübungen zur Beruhigung des Nervensystems
4-7-8 Atemtechnik:
Diese Atemübung hilft, den Körper schnell zur Ruhe zu bringen.
Tipp: Eltern können helfen, den Rhythmus der Atemzüge vorzugeben, indem sie einen Gong, ein sanftes Geräusch oder einen anderen Ton verwenden. Dies unterstützt euer Kind dabei, sich auf den Rhythmus zu konzentrieren und die Übung besser umzusetzen.
Stofftier-Atemübung:
Diese Übung eignet sich besonders gut für kleinere Kinder.
2. Progressive Muskelentspannung
Diese Technik hilft, den Körper zu entspannen, indem verschiedene Muskelgruppen nacheinander angespannt und gelöst werden.
3. Achtsamkeitsspaziergang
Geht gemeinsam nach draußen und bittet euer Kind, sich auf die Details der Umgebung zu konzentrieren: den Wind, die Geräusche der Natur, die Farben der Blätter. Diese Übung hilft, den Geist zu beruhigen und den Fokus auf den Moment zu lenken.
4. Mandala-Malen oder kreative Tätigkeiten
Kreative Tätigkeiten wie das Ausmalen von Mandalas fördern die Konzentration und Entspannung.
5. Körper-Scan zur Selbstwahrnehmung
Der Körper-Scan hilft eurem Kind, Spannungen zu erkennen und loszulassen.
6. Das „Erdmännchen-Spiel“
Diese Übung hilft, den Unterschied zwischen Anspannung und Entspannung zu spüren.
7. „Sicherer Ort“-Visualisierung
Lasst euer Kind sich einen Ort vorstellen, an dem es sich sicher und wohlfühlt, und diesen in Gedanken aufsuchen, wenn es sich ängstlich oder angespannt fühlt.
8. Sanfte Bewegungen und Dehnübungen
Sanfte Bewegungen und Dehnübungen helfen, Spannungen zu lösen und das Nervensystem zu beruhigen.
9. Metta-Meditation (Meditation der liebenden Güte)
Die Metta-Meditation fördert positive Gefühle wie Mitgefühl und Freundlichkeit – sowohl für sich selbst als auch für andere.
Diese Übungen bieten euch praktische und leicht umsetzbare Möglichkeiten, eurem Kind zu helfen, eine Dysbalance des vegetativen Nervensystems zu überwinden. Indem ihr diese Techniken regelmäßig in den Alltag integriert, fördert ihr nicht nur die körperliche und emotionale Entspannung, sondern auch die Konzentrationsfähigkeit und das allgemeine Wohlbefinden eures Kindes.