In einer Welt voller Reize, To-dos und äußerer Ansprüche verlieren viele Menschen den Kontakt zu ihrem Körper. Die Aufmerksamkeit bleibt im Kopf – bei Gedanken, Plänen, Bewertungen. Der Bodyscan ist eine meditative Technik, die genau diesem Trend entgegenwirkt: Sie lädt uns ein, mit achtsamer Aufmerksamkeit durch den Körper zu wandern – nicht, um etwas zu verändern, sondern um wieder zu spüren, was ist.
Diese Praxis stammt ursprünglich aus der Mindfulness-Based Stress Reduction (MBSR) nach Jon Kabat-Zinn, hat aber Wurzeln in vielen Körper- und Achtsamkeitstraditionen (Yoga, Vipassana, Somatic Experiencing).
Der Bodyscan ist eine achtsamkeitsbasierte Körperreise, bei der man in systematischer Reihenfolge die Aufmerksamkeit auf einzelne Körperbereiche richtet – z. B. vom Fuß bis zum Kopf – und dabei beobachtet:
Welche Empfindungen sind da?
Gibt es Wärme, Kälte, Kribbeln, Leere, Spannung, Entspannung?
Wie verändert sich die Wahrnehmung mit der Zeit?
Ziel ist nicht das Verändern, sondern das bewusste Spüren und Annehmen – ohne Urteil, ohne Ziel.
Interozeption ist die Fähigkeit, innere Körperzustände (z. B. Muskelspannung, Atemrhythmus, Herzfrequenz) bewusst wahrzunehmen. Der Bodyscan trainiert diese Fähigkeit und verbessert die Selbstregulation, weil man früher erkennt, wann sich Stress oder Anspannung aufbauen.
Durch die bewusste Lenkung der Aufmerksamkeit auf den Körper wird das vegetative Nervensystem (insbesondere der Parasympathikus) aktiviert. Dies führt zu:
gesenkter Muskeltonus
beruhigtem Herzschlag
tieferem Atem
entspannterer Mimik
Der Bodyscan stärkt das Körperbewusstsein als Anker. Wer lernt, sich selbst zu spüren, entwickelt mehr Klarheit über Bedürfnisse, Grenzen und Stimmungen – eine wichtige Grundlage für Resilienz und psychische Gesundheit.
Studien zeigen, dass regelmäßige Bodyscan-Praxis:
chronischen Stress reduziert
bei Schlafstörungen hilft
Schmerzen mindert (z. B. bei Fibromyalgie)
Symptome bei Angststörungen und Depressionen lindern kann
Kein Entspannungstrick („Wenn ich das richtig mache, bin ich ruhig“)
Keine Diagnosetechnik („Was stimmt mit meinem Bein nicht?“)
Keine Selbstoptimierung („Ich muss alles spüren“)
Er ist eine Zuwendung zu dem, was ist – im Moment, im Körper, in der Tiefe.
Dauer: 10–40 Minuten – je nach Länge und Zielgruppe
Position: Liegen auf dem Rücken (alternativ: Sitzen)
Beginn: Atembeobachtung, Ankommen im Körper
Reihenfolge (Beispiel):
Füße (rechte Zehen, Fußsohle, Fußrücken, Ferse …)
Beine (Unterschenkel, Knie, Oberschenkel …)
Becken und Bauchraum
Brustraum und Rücken
Arme und Hände
Nacken, Schultern, Gesicht
Gesamtkörperwahrnehmung (Integration)
Jeder Abschnitt wird kurz „besucht“ – mit einer offenen, neugierigen Haltung. Empfindungen dürfen auftauchen – oder nicht. Beides ist willkommen.
„Ich spüre nichts.“ → Kein Problem. Bleib freundlich. Auch das ist Wahrnehmung.
„Ich werde unruhig.“ → Spüre die Unruhe im Körper – wo sitzt sie? Wie fühlt sie sich an?
„Ich schweife ständig ab.“ → Ganz normal. Sanft zurück zur Stelle im Körper, wo du gerade warst.
„Ich will das schneller durchgehen.“ → Auch das ist ein Muster. Erlaube dir, da zu sein – nicht anzukommen.
als Morgen- oder Abendritual
zur Körperwahrnehmung bei psychosomatischen Beschwerden
als Bestandteil von Traumatherapie oder Emotionsregulation
zur Begleitung von Menschen mit chronischem Schmerz oder innerer Unruhe
im pädagogischen Kontext (z. B. bei Kindern zur Selbstregulation)
Der Bodyscan ist eine stille Praxis, die nichts will – und dadurch alles berührt.
Wer sich regelmäßig mit seinem Körper verbindet, entwickelt eine Haltung der Selbstannahme, der Achtsamkeit und der inneren Verankerung.
In der Berührung mit dir selbst entsteht Ruhe – nicht, weil du dich verändert hast, sondern weil du dir nah bist.